Kanzlei Freudenreich

II. Pachtvertrag u. Corona


1. Keine Kündigung wegen Corona (§ 543 I 2 u. II 1 BGB).
2. Der Verpächter hat die Möglichkeit der Fruchtziehung, § 581 I Satz 1 BGB, nur abstrakt zu gewähren und diese Eignung grundsätzlich aufrechtzuerhalten. Das tatsächliche Risiko, hieraus Früchte zu ziehen ist dem Pächter zuzuordnen.

OLG Ffm. v. 17.09.2021, Az.: 2 U 147/20
§§ 581, 537, 543 I 2, II 1, 536, 313 I BGB

Problem/Sachverhalt

Die Parteien eines Restaurantpachtvertrages stritten über die Berechtigung des Mieters wegen der Corona-Verordnung das Pachtverhältnis außerordentlich zu kündigen, § 543 II 1 BGB. Der Pächter räumt noch im März 2020 nach Kündigung die Gaststätte, veräußert das Inventar und gibt die Schlüssel zurück. Der Verpächter saniert das Pachtobjekt und macht zweitinstanzlich noch restliche Pacht bis zum Vertragsende geltend.

Entscheidung

Das OLG gibt der geänderten Zahlungsklage im Wesentlichen statt.
Die pandemiebedingten allgemeinen hoheitlichen Maßnahmen reichen für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 I, II Nr. 1 BGB nicht aus, denn die hoheitlichen Anforderungen sind nicht unmittelbar auf den konkreten Zustand des Pachtobjektes zurückzuführen. Der Verpächter schuldet nur die Möglichkeit der Gebrauchsverschaffung und des Zustandserhalts, hierzu gehört nicht die Überlassung des Betriebs an sich, sondern nur die Überlassung der dazu notwendigen Räume. Die durch die Corona-Krise bedingten Schließungsanordnungen betreffen weiterhin nur das Verwendungsrisiko des Mieters, da hierfür die baulichen Gegebenheiten des Mietobjektes unerheblich sind. Der Umstand, dass es sich hier um einen Pachtvertrag handelt, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung, da dem Pächter die Möglichkeit der Fruchtziehung nach Gestellung einer hierfür erforderlichen Ausstattung (z.B. Gaststätte möbliert und mit Theke versehen) erhalten bleibt, § 581 I Satz 1 BGB. Während der Verpächter die Fruchtziehung nur abstrakt zu gewähren und diese Eignung im Falle behördlicher Eingriffe grundsätzlich erhalten bleibt, liegt das Verwendungsrisiko grundsätzlich beim Pächter.
Der Umstand, dass die Covid-19-Pandemie nur von temporärer Natur ist, steht der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund (§ 543 I 2, II 1 BGB) im Rahmen der beiderseitigen Interessenabwägung entgegen, § 537 I BGB (ebenso Sittner NJW 2020, 1169 ff.).
Die mieterseitige Kündigung war daher unwirksam und folglich die vereinbarte Pacht geschuldet. Da die konkrete Beschaffenheit des Pachtobjektes während der Covid-19-bedingten Einschränkungen unverändert bleibt, kommt es auf den Zustand und die Lage des Pachtobjektes und damit auf seine Objektbezogenheit nicht an. Hoheitliche Maßnahmen betreffen insoweit nur die betriebliche Nutzung durch den Pächter und den damit verbundenen Publikumsverkehr, so dass kein Mangel (§ 536 I BGB) vorliegt. Zur Unmöglichkeit gilt auch hier der Vorrang des Gewährleistungsrechts der §§ 536 ff. BGB. Für eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage bleibt -ungeachtet der Vermutungswirkung von Art. 240 § 7 EGBGB- der Pächter darlegungs- und beweisbelastet. Die Frage der Unzumutbarkeit kann verneint werden, wenn der Pächter selbst seinen Betrieb (März 2020) eingestellt hat, bevor die Betriebsbeschränkungen Auswirkungen auf seinen Geschäftsbetrieb zeigen konnten.
Temporäre Renovierungsmaßnahmen des Verpächters stehen der Geltendmachung von Pacht (§ 537 II BGB) dann nicht entgegen, wenn der Pächter durch Räumung und Veräußerung des Inventars einschließlich Schlüsselrückgabe die Wiederinbesitznahme schlüssig verweigert, Arg. § 299 BGB. Dem Verpächter ist es auch nicht zumutbar, stets leistungsbereit zu sein
Seine vorübergehende Unmöglichkeit infolge Renovierungsmaßnahmen, können den Pächter am Gebrauch nicht mehr hindern, wenn dieser bereits vorher den Gebrauch der Pachtsache nicht machen konnte oder wollte (ebenso BGH NJW 1963, 34).

Praxistipp

Da die Covid-19-Pandemie, wie zu erwarten, nur von temporärer Natur ist, bleibt eine pächterseitige Kündigung, die zu einer dauerhaften Regelung führen würde, für den Verpächter nicht zumutbar, weil nicht interessengerecht.

RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.

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