Kanzlei Freudenreich

Zutrittsverweigerung führt zur Kündigung!


1. Steht der Eingangsbereich eines Geschäftslokals im Mitbesitz von Mieter und Vermieter, stellt die Zutrittsverweigerung des Mieters gegenüber dem Vermieter einen wichtigen Kündigungsgrund dar, § 543 I BGB.
2. Je länger der Zeitraum bis zum regulären Ende der Mietzeit dauert, desto eher ist Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung (§ 543 I Satz 2 BGB) anzunehmen.
3. Fristsetzung/Abmahnung entfallen, wenn der Mieter Klageabweisung beantragt.
4. Mit Vollmacht versehene Prozesskündigung ist wirksam (seit BGH XII ZR 60/95).

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 30.12.2021, Az.: 2-17 O 8/21 (rechtskräftig)
§§ 543 I 2, III 1, 241 II, 133, 157, 866 BGB

Problem/Sachverhalt

Am Eingangsbereich eines größeren Gewerbeobjektes hat der Mieter Mitbesitz und verweigert dem Vermieter (wegen eines laufenden Rechtsstreits) den freien Zutritt zu den (nicht an ihn) mitvermieteten Räumen wie Kellerzugang u.ä. Der Vermieter kündigt fristlos im Prozess durch seinen mit Vollmacht versehene Prozessbevollmächtigten, da die Vereitlung des Zugangs zu den nicht vermieteten Räumen seitens des beklagten Mieters schikanös sei, § 241 II BGB.

Entscheidung

Nachdem das LG wegen streitiger Vorfragen Beweis erhoben hat, gibt es der Räumungsklage (aber) wegen Zutrittsverweigerung des Mieters statt.
Die vom Prozessbevollmächtigten des Vermieters erklärte fristlose Kündigung war wirksam, weil der Bevollmächtigte aufgrund klägerseits erteilter Prozessvollmacht zur (Prozess-)Kündigung von Vertragsverhältnissen bevollmächtigt war (seit BGH vom 06.11.1996 XII ZR 60/95 st. Rspr.) und ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 I BGB vorlag.

Der Vermieter muss freien Zugang zu den nicht an den (beklagten) Mieter vermieteten Räumen haben, dessen Verweigerung stellt als Rücksichtslosigkeit eine Nebenpflichtverletzung aus § 241 II BGB und daher einen wichtigen Grund i.S.v. § 543 I 2 BGB dar. Der Mietvertrag ist so auszulegen, dass der Vermieter zu den nicht an den Mieter mitvermieteten Räumen freien Zutritt haben soll. Das Verlangen des Mieters den Zugang stets nur in Abstimmung mit seiner Geschäftsleitung und in seiner Anwesenheit zu ermöglichen, widerspricht der Lebenserfahrung.
Es erscheint auch äußerst fragwürdig, dass ein Eigentümer ohne besonderen Anlass sich seines freien Zugangs zu dem nicht mit-vermieteten Teil seines Gebäudes begibt, indem er den Zugang zu seinen eigenen Kellerräumen von einer Ankündigung abhängig macht. Folge von Mitbesitz, § 866 BGB ist, dass Vermieter und Mieter ihre Sachherrschaft am Eingangsbereich ohne Mitwirkung des anderen ausüben können, dessen bewusste Verkennung eine Nebenpflichtverletzung i.S.v. § 241 II BGB darstellt. Das grundsätzliche Erfordernis einer erfolglosen Abmahnung wird selbst durch ein erfolgloses Kündigungsschreiben erfüllt, welches in die Setzung einer Frist oder als Abmahnung umzudeuten ist (seit BGH ZMR 1972, 306, h. M.; zuletzt OLG München vom 26.01.2001, 21 U 3595/94); entsprechendes gilt auch für den Klageabweisungsantrag!
Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung kann auch daraus folgen, dass der Mietvertrag ein Optionsrecht des Mieters enthält, verlängert sich im Streitfall die Laufzeit des Vertrages noch um 5 Jahre, so sind die Voraussetzungen der fristlosen Kündigung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung umso eher anzunehmen (ebenso OLG Celle BeckRS 2008, 22795).

Praxistipp

Die Entscheidung stellt eine gute Zusammenfassung der im Räumungsprozess durch erweiterte Prozesskündigung möglichen Gestaltungsweisen dar, wenn der Mieter bei einer zunächst zweifelhaften Kündigung weitere Vertragsverletzungen, wie Zutrittsverweigerung, o. ä. begeht. Dass eine unwirksame Kündigung auch eine Abmahnung darstellt, die bei Zusammentreffen mit einer weiteren Rücksichtslosigkeit i. S. einer Zutrittsverweigerung die fristlose Kündigung rechtfertigt, hat das LG unter Hinweis auf den Klageabweisungsantrag des beklagten Mieters sauber herausgearbeitet. Das Urteil wurde nach (parteiinterner) Verlängerung der Räumungsfrist rechtskräftig.

RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.

Das komplette Urteil als PDF-Dokument lesen