LG Frankfurt am Main vom 21.05.2021, Az.: 2-7 O 154/20
§§ 535 II, 551 BGB, §§ 592, 595 II u. 598 ZPO
Die Beklagte ermietete von der Klägerin Räumlichkeiten zum Betrieb einer Bäckereifiliale, mit der Möglichkeit zum Straßenverkauf (Coffee to go …). Nach § 6 MV war sie verpflichtet, Mietsicherheit in Form einer Bankbürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen. Die Beklagte reduzierte von April und Juni 2020 ihre Mietzahlungen und berief sich in der 1. Corona-Krise auf Minderung, Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die Vermieterin erhebt Urkundenklage, zieht später die Kaution und erklärt die Klage in Höhe des Kautionsbetrages -ohne Zinsen- in der Hauptsache für erledigt. Die Beklagte schließt sich der Erledigterklärung an und beantragt Klageabweisung.
Die verbleibende Urkundenklage hat Erfolg. Das Gericht gibt dem noch offenen Zinsanspruch statt und verurteilt die Beklagte in die Kosten. Die Klage sei im Urkundenverfahren nach § 592 ff. ZPO statthaft, da die besondere Verfahrens-voraussetzung (Mietvertragsvorlage als Urkunde) nach § 592 ZPO erfüllt ist. Der vertragliche geschuldete Mietzins war im genannten Zeitraum aus keinem rechtlichen Grund herabgesetzt. Die Kammer folgt insoweit dem Urteil des OLG Ffm. vom 19.03.2021 Az.: 2 U 143/20 und verneint die vom Mieter erhobenen Einwendungen betreffend Minderung und Unmöglichkeit.
Den Ausführungen des OLG zur Nichtanwendung des § 313 I BGB schließt sich die Kammer mit der Begründung an, dass die Einwendungen der Beklagten wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage im Urkundenprozess als unstatthaft zurückweisen seien. Der Beweis könne wegen der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln geführt werden, § 598 ZPO.
Einer von der Klägerin vorgenommenen Verrechnung der Kaution im Rahmen der (statthaften) Zahlungsklage stehe kein vermeintliches Treuhandverhältnis entgegen. Die Vereinbarung einer Mietsicherheit „auf erste Anforderung“ zeige, dass dem Zugriff des Vermieters keine Einreden oder Einwendungen entgegengesetzt werden sollen und durch konkrete Abreden keine treuhänderische Verwahrungspflicht bestehe. Entgegen OLG Düsseldorf (Urteil vom 24.09.2009 I-5 U 5/09), sei für eine entgegenstehende Auslegung im Sinne eines Treuhandverhältnisses kein Raum, insbesondere dann, wenn die Parteien im kaufmännischen Bereich die genannte Regelung im Rahmen ihrer Vertragsgestaltungsfreiheit träfen.
Die Hauptsacheerledigung führt daher zur Kostentragung der Beklagten, da die verfolgten Mietzinsansprüche bestanden haben und nach Rechtshängigkeit sowie durch Zahlung/Inanspruchnahme der Kaution erloschen seien (§§ 91, 91a ZPO).
Die Kostenlast ist daher natürliche Folge der statthaften Urkundenklage.
Die Urkundenklage bleibt, soweit nicht in der Hauptsache teilweise durch Inanspruchnahme der Kautionsbürgschaft erledigt, weiter statthaft, auch betreffend Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten, wie aus § 288 II BGB folgt. Bei der Vertragsgestaltung ist die Kautionsbürgschaft auf erstes Anfordern (neben der Barkaution) empfehlenswert. Sofern der Mieter die Wahl zwischen Barkaution und Bürgschaft hat, -sollte mangels direkter Anwendbarkeit von § 264 II BGB- aber im Vertrag eine Fristsetzung erfolgen, nach deren Ablauf das Wahlrecht auf den Vermieter übergeht! Die lesenswerte Entscheidung gibt den aktuellen Meinungsstand wieder.
RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.
Anm.: s.a. OLG Ffm. vom 19.03.2021 IMR 2021, 191, LG Ffm. v. 05.03.2021 IMR 221, 157; LG Ffm. v. 06.05.2021 IMR 2021, S. 280