Kanzlei Freudenreich

Trotz Corona muss der Mieter zahlen!


Das Auftreten der SARS-CoV-2 Pandemie und die in der Allgemeinverfügung bedingte Schließung des Ladengeschäfts führen weder zu einem Mangel der Mietsache, noch zur Unmöglichkeit. Eine Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfällt wegen der Sperrwirkung von Art. 240 § 2 EGBGB.

LG München II Urteil vom 22.09.2020 Az.: 13 O 1657/20 (nicht rechtskräftig)
OLG München Az.: 32 U 5946/20
§§ 535 Abs. 2, 536 I, 275, 313 I BGB

Problem/Sachverhalt

Die deutschlandweit tätige Gewerberaummieterin hatte zur Nutzung als Einzelhandelsgeschäft Gewerberäume angemietet, in welchen vor allem Textilien verkauft werden. Aufgrund Allgemeinverfügung des Bayrischen Staatsministeriums vom 16.03.2020 wurde i.V.m. weiteren Verordnungen der Bayer. Landesregierung grundsätzlich eine fortdauernde Betriebsuntersagung für Einzelhandelsgeschäfte in Bayern angeordnet. Die Beklagte musste ihr Einzelhandelsgeschäft daher vom 18.03. bis 27.04.2020 schließen.
Nachdem die Beklagte unter strengen Auflagen ihr Geschäft seit 27.04.2020 wiedereröffnet hatte, macht sie wegen der Allgemeinverfügung Minderung geltend, hilfsweise Unmöglichkeit und i.Ü. wegen der Covid-19 Pandemie Anpassung nach § 313 I BGB. Der Kläger klagt die rückständige Aprilmiete ein, die Beklagte erhebt Feststellungswiderklage, dass der Mietvertrag nach § 313 I BGB anzupassen sei.

Entscheidung

Das LG gibt der Klage statt und weist die Widerklage ab. Minderung entfalle, weil mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit der Allgemeinverfügung, die ganz Bayern betreffe, mit dem Mietobjekt aber in keinem Zusammenhang stehe, die Nutzbarkeit in den Risikobereich des Mieters falle. Eine Unmöglichkeit nach §§ 326 I, 275 I BGB komme nicht in Betracht, da die Vermietung nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, weil die Allgemeinverfügung keinen Verbotscharakter habe. Das Risiko, das Mietobjekt nach seinem Betriebskonzept nutzen zu können, liege nach der gesetzlichen Wertung in § 537 BGB daher beim Mieter. Eine Anpassung nach § 313 I BGB entfalle, da Art. 240 § 2 EGBGB, soweit es um Reduzierung oder Stundung der Miete gehe, gesetzliche Sperrwirkung zukomme.
Unter Hinweis auf das Gesetzgebungsverfahren, in dem von einer politischen Fraktion der Teilmietenerlass gefordert wurde, dieser jedoch keinen Eingang in das Gesetz gefunden habe, bleibe die Pflicht zur vollständigen Mietzahlung von Art. 240 § 2 EGBGB unberührt! Denn der Gesetzgeber hat in seiner Begründung ausgeführt: Die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen (BT-Drucks. 19/18110 auf S. 18 zu II.1.) und damit bewusst an der Pflicht zur vollständigen Mietzahlung festhalten wollen.

Praxistipp

Das Urteil zeigt die überwiegende Meinung der Instanzjudikatur * auf, welche Art. 240 § 2 EGBGB Sperrwirkung für die oben genannten Fragen der Minderung/Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage beimisst. Zuletzt mit Urteil vom 23.10.2019 hat der BGH im sog. Flüchtlingswohnheim-Fall das Verwendungsrisiko beim Mieter angesiedelt. und einen Wegfall der Geschäftsgrundlage verneint (XII ZR 125/18).
Mit seiner Begründung in Rn. 32/37 hat der XII. Senat -mangels entgegenstehender Vereinbarung- das ausschließliche Verwendungsrisiko bzgl. der Mietsache beim Mieter gesehen und eine Anpassung der Geschäftsgrundlage abgelehnt. Im Anschluss an die Wertung des Gesetzgebers (Stand 15.12.2020) gewährt Art. 240 § 2 EGBGB bei Miete und Pacht weder ein Leistungsverweigerungsrecht, noch eine Stundung. Vielmehr liegt das Risiko mit Rücksicht auf § 537 I u. II BGB nach wie vor beim Mieter (*ebenso LGe Heidelberg, Frankfurt/M. u. Zweibrücken, IMR 2020, 375, 419, 460 u. 461).

RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.

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