OLG Frankfurt am Main Urteil v. 10.01.2019, Az.: 2 U 109/17, §§ 195, 556 III, 242 BGB
Der Kläger macht aus einer Betriebskostenabrechnung für 2010 am 21.08.2013 Nachzahlung geltend. Der Beklagte beruft sich auf Verwirkung, das LG weist die Klage mit der Begründung ab, der Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten sei zwar nicht verjährt, aber verwirkt, was von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Nach der vertraglichen Regelung, 12 Monate nach Ende des Abrechnungszeitraums über die Betriebskosten abzurechnen und gemeinsam Aufmaß zu erstellen, liege, auch wenn § 556 III 3 BGB bei Gewerberaum keine Anwendung finde, das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment darin, dass ein gemeinsames Aufmaß unterblieb und der Vermieter anstelle früherer Pauschalen höhere Vorauszahlungen mit dem Mieter vereinbare. Hiermit werde ein Vertrauen geweckt, dass die tatsächlichen Kosten - jedenfalls nicht wesentlich - von der Vorauszahlung abweichen würden, was für das Umstandsmoment ausreiche. Der Kläger legt Berufung ein.
mit Erfolg; das OLG ändert ab und verurteilt zur Zahlung. Da das Recht des Mieters vom Vermieter ordnungsgemäße Abrechnung zu verlangen – wie sonstige Ansprüche auch – der Verjährung unterliegt (§ 194 BGB), wäre es sinnwidrig, den Anspruch des Mieters auf entsprechende Abrechnung der Verjährung zu unterwerfen, umgekehrt jedoch das Recht des Vermieters zur Abrechnung nicht. Wobei die Verjährungsfrist für Nachforderungen des Vermieters aus einer Betriebskostenabrechnung nicht schon mit dem Ablauf der Abrechnungsperiode beginne, sondern erst mit Zugang der Abrechnung beim Mieter oder dessen Prozessbevollmächtigten im Verfahren (OLG Celle ZMR 2015, 541; Langenberg/Zehelein BK-Hz KostenR 8. Aufl. 2016, Kap. I, Rn. 32). Denn die Verjährung beginnt (§ 199 I Nr. 1 BGB), mit Vorlage einer formell wirksamen Abrechnung. Da der aus Treu und Glauben abgeleitete Rechtsgedanke der Verwirkung als besonderer Ausdruck unzulässiger Rechtsausübung verstanden werde, spricht gegen dessen Anwendung, dass wegen § 556 III Satz 3 BGB die Verwirkung in ihrer Bedeutung erheblich an Umfang verloren habe. Viele der im Rahmen der Verwirkung von der Rechtsprechung erläuterten Fälle sind durch die Verkürzung der Regelverjährung von 30 auf 3 Jahre irrelevant geworden. Hinzu kommt, dass die Verjährungsfrist für Betriebskostennachforderungen durch die Schuldrechtsreform (2002) von vormals 4 auf 3 Jahre verkürzt wurde (§ 195 BGB); dies gilt auch für das Recht des Vermieters auf Abrechnung. Im zeitlichen Kontext mit der möglichen Verjährung des Abrechnungsrechts, 3 Jahre nach Eintritt der Abrechnungsreife, kann daher für Verwirkung kein Raum mehr bleiben. Vielmehr muss sich infolge Nichtanwendbarkeit von § 556 III 3 BGB der Gewerberaummieter darauf einstellen, dass der Vermieter innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist sein Abrechnungsrecht noch ausübt. Weder die fehlende gemeinsame Aufmaßerstellung, noch die Höhe der Vorauszahlung - auch wenn gering bemessen – können das Umstandsmoment begründen. Sind die Vorauszahlungen niedrig bemessen, muss der Mieter ohnehin damit rechnen, dass diese nicht ausreichen und er nachschießen muss.
Die Entscheidung des OLG setzt sich schwerpunktmäßig mit dem Verwirkungseinwand auseinander, den es in Anlehnung an die Verkürzung der Verjährungsfrist (§ 197 BGB a. F. / § 195 BGB) auf 3 Jahre mit überzeugender Begründung ablehnt (so auch die h. M.).
Im Ergebnis: ein lesenswertes Urteil.
RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.