LG Frankfurt am Main Urteil v. 30.09.2019, Az.: 2-11 S 63/19
§§ 78, 533, 267 u. 529 ZPO, § 543 Abs. 1 u. 2 und § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB
Die Parteien stritten um Räumung und Herausgabe von Wohnraum aufgrund von Zahlungsrückständen, die dem Verlauf des Verfahrens folgend, in immer weiteren Beträgen geltend gemacht wurden. Aufgrund Zahlungsrückständen über zwei Monatsmieten innerhalb von drei Monaten, hat das Amtsgericht auf Räumung erkannt. Soweit der Mieter Minderung für einen Monat behauptete, wies das Amtsgericht darauf hin, dass derjenige Mieter, der bei Kündigungszugang mit der Entrichtung der Miete für zwei aufeinanderfolgende Termine in Höhe eines Betrages, der eine Monatsmiete übersteigt, in Verzug geraten war, selbst bei einer vom Gericht zu unterstellenden Minderung von 10% -rechnerisch- 2,55 Monatsmieten schulde, so dass die Voraussetzungen für § 543 Abs. 2 Nr. 3b BGB gegeben waren. Der Beklagte legt Berufung ein. Aufgrund weiterer Zahlungsrückstände mit über fünf Monatsmieten kündigte der Vermieter im Prozess erneut. Der Zahlungsrückstand blieb im Ergebnis unbestritten, da sich der beklagte Mieter -außerhalb von § 78 ZPO- nur privatschriftlich gegenüber der Kammer äußerte.
Die Berufung hat keinen Erfolg! Die Berufungskammer hält die Prozesskündigung wegen Zahlungsrückstands mit über fünf Monatsmieten für wirksam, weil der Beklagte ihr nicht entgegengetreten war. Sein privatschriftliches Vorbringen (Beklagter) blieb im Anwaltsprozess (§ 78 ZPO) unberücksichtigt, mit der Folge nach § 138 III ZPO. Die Prozesskündigung ist als Klageänderung zulässig, da der Beklagte die Klageänderung nicht gerügt hatte, § 267 ZPO und aufgrund bekannter Tatsachensituation die Sachdienlichkeit von der Kammer bejaht wurde.
Der Zahlungsrückstand von mehr als fünf Monatsmieten stellt stets einen Grund für die außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3a+b BGB dar, mit der Folge, dass die Prozesskündigung als außerordentliche Kündigung durchgriff. Auch qualifiziert sich ein Mietrückstand von mehr als einer Monatsmiete als erhebliche und im Ergebnis hier unheilbare Pflichtverletzung. Dies hat die ordentliche Kündigung gerechtfertigt, § 573 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB und konnte nicht nach § 569 III Nr. 2 BGB geheilt werden. Da der Zahlungsrückstand ab einer Monatsmiete eine erhebliche Pflichtverletzung darstelle, kam eine von dem beklagten Mieter behauptete (str.) Minderung von 19% mangels weiterer Darlegung hier entscheidungserheblich nicht in Betracht.
Die Entscheidung ist sehr praxisrelevant, da sich der auf Zahlungsverzug klagende Vermieter häufig mit streitigen Minderungseinreden auseinandersetzen muss, an deren Substantiierung angesichts der erheblichen Pflichtverletzung bei Zahlungsrückständen ab einer Monatsmiete auch ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab auf Beklagtenseite anzulegen ist. Mehrfach schriftsätzlich gewählte Prozesskündigungen, von der h. M. seit langem anerkannt (BGH v. 02.11.88 VIII ZR 7/88 = NJWRR 1989, 777 und v. 06.11.96 XII ZR 60/95), hat die Kammer als wirksame Klageänderung i.S.v. § 533 ZPO behandelt und -mangels Rüge des Beklagten- neben der Zulässigkeit, auch die Sachdienlichkeit bejaht. Denn die Kündigung stützte sich auf (neue) Zahlungsrückstände, mithin neue Tatsachen, deren Berücksichtigung zulässig sei, § 529 I Nr. 2 ZPO. Angesichts der Beschränkung der Heilungsmöglichkeit des Mieters auf die außerordentliche Kündigung, kommt der ordentlichen Kündigung im Prozess nach den Grundsatzurteilen des BGH vom 19.09.2018 VIII ZR 231/17 u. 261/17, Rn. 37 m.N.) wegen der kurzen gesetzlichen Kündigungsfrist, bei Mietdauer unter fünf Jahren, besondere Bedeutung zu.
RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.