Der Vermieter kann seinem Mieter bei Verzug mit abgerechneter Betriebskostennachzahlung, die zwei Monatsmieten übersteigt, sowohl ordentlich als auch außerordentlich kündigen.
AG Offenbach, Urteil vom 21.12.2016 - 350 C 517/12, Volltext: IMRRS 2017, 0834 BGB §§ 535, 543 Abs. 1 Satz 2, § 546 Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 1
Problem/Sachverhalt
Der Vermieter machte gegen die beklagte Mieterin zunächst im Wege des Urkundsprozesses eine Nachforderung aus Nebenkostenabrechnung (2011) geltend. Nachdem das Amtsgericht die Klage als unstatthaft zurückwies, änderte das Berufungsgericht mit Vorbehaltsurteil vom 20.12.2013 ab und verurteilte die Mieterin antragsgemäß auf Zahlung (IMR 2014, 133). Die (zugelassene) Revision blieb erfolglos, der BGH bestätigte in seiner Entscheidung vom 22.10.2014 (IMR 2015, 39) das landgerichtliche Urteil mit folgendem Leitsatz: „Ansprüche des Vermieters auf Betriebskostennachzahlungen aus Wohnraummietverträgen können im Urkundsprozess geltend gemacht werden." Aufgrund neuerlichen Zahlungsverzugs mit der Betriebskostennachzahlung für 2012 erklärte der Vermieter im Nachverfahren die Kündigung des Mietverhältnisses, da der Zahlungsrückstand zwei Monatsmieten überstieg. Nachdem in der Folgezeit die Mieterin räumte, erklärte der Vermieter den Rechtsstreit hinsichtlich des Räumungsanspruchs für erledigt, das Amtsgericht hatte die Mieterin in die Kosten verurteilt und — soweit noch geltend gemacht (BK 2012) — auf Zahlung erkannt. Die Berufung wurde zurückgenommen.
Entscheidung
Das Amtsgericht hat unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung des LG Berlin vom 05.03.2014 (65 5 406/13, GE 2014, 589) das mit der Mieterin bestehende Mietverhältnis sowohl außerordentlich als auch ordentlich für beendet angesehen und ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses festgestellt (§ 573 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Mieterin verletzt ihre mietvertraglichen Pflichten deshalb erheblich und schuldhaft, weil sie das offene Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung für das Folgejahr (BK 2012) nicht ausgeglichen hat. Die Nebenkostennachforderung für 2012 übersteigt zwei Monatswarmmieten, so dass das
Amtsgericht angesichts des fortbestehenden Verzugs diesen Betrag im Tenor zugesprochen hat. Der (tenorierte) Zahlungsverzug rechtfertigt sowohl die fristlose als auch ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Die Prozesskündigung des Vermieters ist auch wirksam gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagtenpartei erklärt worden, da der Empfang derselben regelmäßig von der Zustellvollmacht des Beklagtenvertreters nach § 172 ZPO gedeckt ist.
Praxishinweis
Das Urteil bestätigt eine Linie der 1nstanzgerichte, bei erheblichen Rückständen mit abgerechneten Betriebskostennachzahlungen nicht nur wegen ordentlicher Kündigung, sondern auch außerordentlich auf Räumung zu erkennen. Die (bahnbrechende) Entscheidung des LG Berlin vom 05.03.2014 (a,a.0.) hatte noch auf eine ordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB abgestellt und unter Hinweis auf BGH vom 10.10.2012 eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung dann angenommen, wenn der (Miet-)Rückstand eine Monatsmiete übersteigt (VIII ZR 107/12, IMR 2013, 4). Das Besondere am Urkundsprozess war hier, dass die Mieterin, die bereits durch Vorbehaltsurteil wegen des BK-Guthabens (2011) verurteilt worden war, sodann vom Vermieter im Nachverfahren mit der Betriebskostennachzahlung (BK 2012) klageerweiternd in Anspruch genommen werden konnte. Es entsprach danach billigem Ermessen (§ 91a ZPO), die Beklagte auch im Nachverfahren mit den Kosten zu belasten. Bei wiederkehrenden Zahlungsklageverfahren aus Miete und Betriebskosten kann es sich im Instanzenzug nach Übergang in das Nachverfahren anbieten, die Möglichkeiten von Kündigung und Räumungsklage zu prüfen.
RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Michael E. Freudenreich, Frankfurt a.M.