Kanzlei Freudenreich

Kaution, Verrechnung und Corona-Miete!


1. Die Kaution kann gegen coronabedingte Mietrückstände verrechnet werden. 2. Im Urkundenprozess ist Wiederauffüllung der Kaution statthaft.
3. Zum Übergang des Mieter-Wahlrechts (Barkaution/Bürgschaft) bei Verzug!

LG Frankfurt am Main vom 06.05.2021, Az.: 2-14 O 113/20
§§ 535 II, 240, 264 II BGB, §§ 592, 595 II und 598 ZPO

Problem/Sachverhalt

Die Beklagte ermietete von der Klägerin Räumlichkeiten zum Betrieb eines Nachlokals und geriet mit den vertraglichen Mietzahlungen ab März 2020 in Rückstand. Die Urkundenklage wird mehrfach wegen Mietrückständen erweitert, die Klägerin verrechnet unterdessen die begebene Mietsicherheit/Kaution gegen weitere (nicht rechtshängige) offene Mieten.
Die Klägerin macht Wiederauffüllung der Kaution geltend, nachdem die Beklagte mit der Ausübung ihres Wahlrechts, Barsicherheit oder Bankbürgschaft zu leisten in Verzug geraten war. Die Beklagte beruft sich wegen pandemiebedingter Schließung auf Minderung und Anpassung nach § 313 I BGB.

Entscheidung

Die Urkundenklage hat beim Landgericht Erfolg!
Die pandemiebedingte Schließung des Nachtclubs berechtigt den Mieter nicht zur Minderung, denn der Vermieter schuldet allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäftsbetrieb, wie z.B. einen Nachtclub zu führen, nicht aber in irgendeiner Weise die Überlassung des Betriebes selbst. Die Einwendungen der Beklagten zu § 313 I BGB lassen eine schematische Lösung nicht zu, da eine Klärung des wechselseitigen Vorbringens zu den Gesamtumständen erforderlich ist, dies ist im Urkundenprozess unstatthaft und bleibt dem Nachverfahren vorbehalten. Unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Ffm. vom 19.03.2021 (Az.: 2 U 143/20) werden Mangel und Unmöglichkeit verneint, Anpassung nach § 313 I BGB entfällt, da es sich um Einwendungen handelt, die von der Beklagtenpartei nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten wurden, § 598 ZPO. In der Sache folgt das LG –auch mit Blick auf das Nachverfahren- der derzeit wohl herrschenden Meinung, wonach das Zivilrecht weder dazu berufen noch dazu in der Lage ist, einen gesamtgesellschaftlichen Lastenausgleich herzustellen. Dies sei Aufgabe der Allgemeinheit.
Der Anspruch auf Wiederauffüllung der Kaution kann -sogar über die Zeit des Vertragsendes hinaus- wirksam geltend gemacht werden (seit BGH NJW 1991, 2707 st. Rspr., ebenso OLG Düsseldorf ZMR 2006, 923, 925). Nach Fristablauf geht das Wahlrecht des Mieters, Barsicherheit oder Bürgschaft zu leisten auf den Vermieter über, § 264 II BGB.
Bleibt der Zahlungsrückstand vertraglich geschuldeter Mieten -unabhängig von Streitfragen zur Pandemie- von der Summe her nicht streitig, so kann im Urkundenverfahren Wiederauffüllung der Sicherheit verlangt werden.
Dies galt im Streitfall mit der Besonderheit, dass die Mietsicherheit auch ausdrücklich für verjährte Forderungen in Anspruch genommen werden kann, woraus das LG schlussfolgert, dass dann die Inanspruchnahme für nicht verjährte Forderungen erst recht zulässig sei.

Praxistipp

Mit der Geltendmachung des Wiederauffüllungsanspruchs im Urkundenprozess nach In-Verzug-Setzung des Mieters mit der Ausübung seines Wahlrechts, Bürgschaft oder Barsicherheit zu leisten, §§ 240, 264 II BGB i.V.m. §§ 592 ff ZPO wurde rechtliches Neuland betreten.
Das LG hat unter Hinweis auf die bekannten Streitfragen zur Covid-19-Pandemie auch die Wiederauffüllung der Sicherheit im Urkundenprozess -mit erfrischender Klarheit- nach § 598 ZPO für statthaft erklärt.

RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.

Anmerkung: s.a. OLG Ffm. vom 19.03.2021, IMR 2021, 191 u. LG Ffm. vom 05.03.2021, IMR 2021, 157.

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