Kanzlei Freudenreich

Die Gewerberaummiete bleibt auch während coronabedingter Schließung geschuldet.


Die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätte wegen COVID-19 ist weder ein Mietmangel, noch Teil der Unmöglichkeit. Solange der Mieter das Risiko trägt, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können, führen befristete Schließungen nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage.

LG Frankfurt am Main Schluss-Urteil vom 02.10.2020 Az.: 2-15 O 23/20
§§ 535 Abs. 2, 536 I, 275, 313 I BGB u. §§ 592, 595 II ZPO

Problem/Sachverhalt

Die international tätige Gewerberaummieterin hatte zur Nutzung als Einzelhandelsgeschäft Gewerberäume angemietet und mit Rundschreiben vom 24.03.2020 wegen COVID-19 die Nichtzahlung der Miete ab April 20 angekündigt. Der Vermieter widersprach mit rechtlichen Ausführungen zu Fragen der Minderung, Unmöglichkeit und Wegfalls der Geschäftsgrundlage und mahnt ein zweites Mal unter Vorlage eines Klageentwurfs. Nach dem die Aprilmiete rückständig bleibt, klagt der Vermieter im Urkundenprozess. Die Mieterin erkennt nach § 599 I ZPO an und beantragt im Nachverfahren die Aufhebung.

Entscheidung

Ohne Erfolg!
Das LG erklärt das Urteil für vorbehaltlos:
1. Eine Minderung i.S.v. § 536 I Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Durch Hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchs- beschränkungen berühren nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters (BGH NJW 2011, 3151). Solange der Vermieter dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, trägt der Mieter das Verwendungsrisiko allein, mit dem Mietobjekt Gewinne erwirtschaften zu können (LG Heidelberg NZM 17/2020 VI.). Hoheitliche Maßnahmen knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache, sondern beschränken allein den Publikumsverkehr, um Infektionen zu vermeiden, ein Sachmangel ist daher zu verneinen (ebenso LG Heidelberg aaO.).
2. Unmöglichkeit nach §§ 326 I Satz 1, 275 I BGB entfällt, solange der Mieter das Verwendungsrisiko trägt, hier gelten die gleichen Ausführungen zu COVID-19 wie oben Ziff. 1 (Schmidt COVID-19 § 3 Rn. 71 in Beck-Online; zus. Streyl COVID-19 Probleme in der Wohn- und Geschäftsraummiete DMT 2020).
3. Eine Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, verneint das LG mit der zutreffenden Erwägung, dass durch zeitlich befristete Schließungen eine existenziell unzumutbare Situation nicht begründet wurde (vgl. BGH NJW 2012, 1718). Da der Mieter das Risiko trage, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können, schließt dies regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung dieses Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH NZM 2000, 492).
Solange der Mieter die Möglichkeit hat, durch Kurzarbeit und staatliche Hilfen, Einsparungen zu erzielen, wobei auch ein möglicher Onlinehandel zu berücksichtigen wäre, hat die erzwungene Schließung keine existenziell bedeutsamen Folgen für den Mieter. Hinzukommt, dass der Schließungszeitraum nur etwa einen Monat betrug und die Geschäftstätigkeit danach ohne wesentliche Einschränkungen wieder aufgenommen werden konnte. Dann ist es dem Mieter aber auch zumutbar, die rückständige Miete zu begleichen.

Praxistipp

Das Urteil zeigt auf, dass die gesetzgeberischen Maßnahmen um Art. 240 § 2 EGBGB mit der Möglichkeiten von Kurzarbeit sowie Inanspruchnahme staatlicher Hilfen eine abschließende Regelung darstellen und damit Sperrwirkung gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB entfalten.
Denn: Wäre durch staatlich verordnete COVID-19 Schließungen die Geschäftsgrundlage weggefallen, hätte es eines Kündigungs-ausschlusses auch nicht mehr bedurft …
Art. 240 EGBGB hat die Stundung nur für andere Dauerschuldverhältnisse (§§ 1/3), nicht aber für die Miete (§ 2) geregelt, was dafür spricht, dass -trotz der Pandemie- beide Parteien zur Erbringung ihrer Hauptleistungen verpflichtet bleiben.

RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.

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