OLG Frankfurt am Main vom 19.03.2021, Az.: 2 U 143/20
§§ 536 ff., 537 I 1, 313 I BGB u. §§ 592, 595 II, 598 ZPO
Die Parteien eines Gewerberaummietverhältnisses streiten über die fällige Aprilmiete 2020 für den Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts. Der Mieter minderte wegen der Corona-bedingten Schließung vom 18.03.-19.04.2020 und dem Hinweis, keine staatliche Hilfen und Überbrückungsleistungen erhalten zu haben, die Miete. Der Vermieter klagt im Urkundenprozess, das Landgericht erlässt Urkundenvorbehaltsurteil nach Antrag. Die Beklagte legt Berufung ein.
Das Oberlandesgericht hält die Klage im zuerkannten Umfang im Urkundenprozess für begründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung restlicher Miete zu, da die behördliche Schließung in der Folge der Covid-19-Pandemie, weder einen Mangel, noch das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft des Mietobjektes begründe. Dem Vermieter ist die vertraglich geschuldete Leistung weiterhin uneingeschränkt möglich, seine Pflicht aus § 535 I, 2 BGB erschöpfe sich in der Verschaffung der Möglichkeit des Mietgebrauchs. Dem stehen zeitweise behördliche Anordnungen, welche sich nicht auf das Objekt, sondern ausschließlich auf den Betrieb des Mieters und die Art der Nutzung mit Publikumsverkehr beziehen, nicht entgegen (Verwendungsrisiko). Wegen Vorrangs der §§ 536 ff. BGB seien die Regelungen der Unmöglichkeit verdrängt. Herabsetzung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht. Diese Einwendung sei unstatthaft, da der ihr obliegende Beweis von der Beklagten nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln, § 598 ZPO geführt werden könnte. Für das Nachverfahren gibt der Senat eine Segelanweisung, zunächst könne offenbleiben, ob Art. 240 § 7 EGBGB Rückwirkungsfunktion habe, da er nur eine Vermutungswirkung begründe. Abweichend vom OLG Dresden, das zunächst einen Mangel verneint, könnten schuldrechtliche Fragen einer Anpassung nach § 313 I BGB weder aus dem Erheblichkeitsargument des § 569 III Nr. 1 BGB, der mangels Verweisung in § 578 II BGB nur für Wohnraum gelte, noch aus § 543 II BGB (wichtiger Grund) abgeleitet werden.
Sofern für die Berücksichtigung einer Störung der Geschäftsgrundlage wegen des Verwendungsrisikos des Mieters (§ 537 I 1 BGB) überhaupt Raum sei, müsse das Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führen (BGH v. 01.02.2012 VIII ZR 307/10 u. 11.10.1994, XI ZR 189/93 u. 05.01.1995 IX ZR 85/94).
Eine Verlagerung des Pandemierisikos auf den Vermieter würde zwar im Ergebnis die öffentliche Hand entlasten. Das Zivilrecht ist aber weder dazu berufen, noch in der Lage, einen gesamtgesellschaftlichen Lastenausgleich herzustellen, es sei auch nicht die Aufgabe der Vermieter, spezifisch einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Lasten der Pandemie zu tragen. Angelehnt an die Lehre von Dr. Paul Oertmann (die Geschäftsgrundlage, 1921, S. 136 m.N.) gewähre der heutige § 313 I BGB keine Überkompensation und sei auf ein untragbares, nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumutendes Ereignis beschränkt, was im Streitfall nicht dargelegt sei. Der Vermieter sei daher auch nicht gezwungen, seine eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen. Revision wurde eingelegt.
Die Entscheidung des OLG stellt eine vorzügliche Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage und der bisherigen OLG-Entscheidungen der OLGe Karlsruhe, München und Dresden dar, sie ist von ihrer Klarheit nur zu begrüßen.
RA Michael E. Freudenreich, Ffm.
Anm. ebenso LG Ffm. vom 05.03.2021, Az.: 2-8 O 175/20 = IMR 2021, 157