LG Hanau Beschluss vom 18.09.2020 Az.: 2 S 84/20, zuvor AG Hanau vom 07.04.2020 Az.: 32 C 167/19
§§ 536, 536 b u. 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB u. § 253 ZPO
Aus dem Mietvertrag über eine kernsanierte Wohnung gerieten die Parteien in Streit über Mietrückstände. Nachdem die Mieterin mit drei Monatsmieten in Zahlungsrückstand war, wurde sie vom Vermieter fristlos, ersatzweise fristgemäß gekündigt. Kündigung und Räumungsklage wurden der Beklagten unter einer anderen Hausnummer als im Mietvertrag angegeben, zugestellt. Die Beklagte hält die Klagezustellung für unwirksam und behauptet, die kernsanierte Wohnung sei schon zum Zeitpunkt der Übergabe in einem schlechten Zustand gewesen.
Der Vermieter bestreitet den mangelhaften Zustand bei Übergabe, das Amtsgericht gibt der Räumungsklage mit der Begründung statt, dass es sich nach dem schlüssigen Beklagtenvortrag um den vertragsgemäßen Zustand handelt, weil derjenige – auch schlechte – Zustand der Mietsache, der bei Anmietung besteht, geschuldet und somit grundsätzlich vertragsgemäß ist (ebenso der BGH Urteil vom 08.07.2020 VIII ZR 270/18 und 163/18 Leitsatz b). Die der Beklagten zugestellte Klage hält das Gericht für formell und materiell wirksam und gibt der Räumungsklage statt. Die Beklagte legt Berufung ein.
Ohne Erfolg!
Das LG hält im Hinweisbeschluss vom 18.09.2020 die Berufung für erfolglos. Soweit im Klageantrag die falsche Hausnummer der zu räumenden Wohnung enthalten sei, könne das Gericht dies auslegen, wie es dem Inhalt des mit der Klage verfolgten materiellen Räumungsanspruchs entspricht, mit der Maßgabe, dass die Klagepartei mit dem Antrag das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist (MüKo-Becker-Eberhard ZPO 6. Aufl. 2020, § 253 Rn. 25).
Aus der Begrifflichkeit „kernsaniert“ leitet die Kammer nichts anderes her, als dass nur der tatsächliche Zustand geschuldet ist, der bei Anmietung bestand. Wenn dieser nach dem Vorbringen der beklagten Mieterin von Anfang an mängelbehaftet war, komme es auf die „Kernsanierung“ nicht an, so dass für die Einstufung als Mangel allein der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich bleibt.
Ergebnis: Der (Ist-)Zustand, der bereits bei Besichtigung der Wohnung vorhanden war und auch hätte erkannt werden können, ist damit vertragsgemäß (Zehelein WuM 2014, 579, 582, zuvor LG Berlin vom 05.04.2005 Az.: 65 S 366/04) und gibt keinen Anlass zur Minderung.
Der Hinweis der Kammer führte dann zur Rechtsmittelrücknahme.
Die Entscheidung zeigt, dass es für die Beurteilung des Mangels immer auf den Zustand der Mietsache bei Anmietung ankommt. Ist dieser nach dem Vorbringen einer Partei schon „von Anfang an schlecht“, so kann dies bereits vertragsgemäß sein und die Minderung nach § 536 BGB ausschließen, weil der Ist- nicht vom Sollzustand abweicht. Das hat der BGH in den beiden Urteilen vom 8.7.2020 zur Kostenbeteiligung des Mieters bei Anmietung einer unrenovierten Wohnung erneut ausdrücklich klargestellt (BGH NJW 2020, 3517 mAnm Kappus; NJW 2020, 3523). Ein evtl. Mängeleinwand gegen die Zahlungsverzugskündigung nach § 543 Abs. 2 Ziff. 3 a+b BGB entfällt dann. Eine Räumungsklage kann somit selbst nach dem eigenen Vorbringen des beklagten Mieters erfolgversprechend sein …
RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.