Kanzlei Freudenreich

Verspätet bleibt verspätet, § 91a ZPO Kosten beim Mieter!


Die Kostenlast bei verspäteter Mietzahlung im Prozess folgt dem Verwendungsrisiko des Mieters.

LG Frankfurt am Main Beschluss vom 07.08.2020 Az.: 2-05 O 160/20
§§ 286 II, 1, 287 BGB § 91a ZPO

Problem/Sachverhalt

Aufgrund Gewerbemietvertrages ist die Miete jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus fällig. Die Beklagte konnte das von ihr betriebene Brillengeschäft corona-bedingt von April bis Juni nicht öffnen und hat für April und Mai die geschuldete Miete trotz außergerichtlicher Mahnung/anwaltlicher Folgemahnung nebst Vorlage eines Klageentwurfs nicht gezahlt. Die Klägerin erhebt hierauf Urkundenklage, die Beklagte zahlt nach Klagezustellung und schließt sich der Erledigterklärung der Klägerin an. Die Beklagte verwahrt sich gegen die Kostenlast und beruft sich, ohne Beweis i.S.v. § 595 II ZPO anzubieten, auf unvorhergesehene Umsatzeinbußen während des Lockdowns.

Entscheidung

Das LG beschließt nach § 91a ZPO: Die Kosten trägt die unterlegene Mieterin. Die Zahlung im Prozess hat Anerkenntniswirkung, da bei Austauschverhältnissen, die auf Überlassung einer Sache, sei es vorübergehend, sei es endgültig, gerichtet sind, das Verwendungsrisiko grundsätzlich beim Sachgläubiger liege. Diese grundsätzliche Risikoverteilung beruht bei Gewerberaummietverträgen auf einer gefestigten Rechtsprechung, da sich hier das typische Risiko allein des Mieters verwirklicht, wenn er im Mietobjekt keine Gewinne erzielt. Umsatzeinbußen gehen daher im Grundsatz zulasten des Mieters. Die vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.04.2020 in Art. 240 § 2 EGBGB verordnete Kündigungssperre zugunsten des Gewerberaummieters, lässt die weiter geltende Zahlungsverpflichtung des Mieters davon unberührt!
Unabhängig von 2-facher Nachfristsetzung war die Beklagte in Verzug und hat zur Klage Anlass gegeben (§§ 286 II, 1, 287 BGB).

Praxistipp

Der Beschluss des LG zeigt den gesetzgeberischen Willen auf, in Art. 240 § 2 EGBGB nur eine Kündigungssperre zu verordnen, um „Obdachlosigkeit“ zu vermeiden. Dies lässt aber die bestehende Zahlungspflicht bei Miete völlig unberührt. Das LG hat dies noch einmal klargestellt und unter Hinweis auf das Verwendungsrisiko dem Mieter die Kosten auferlegt (ebens. Daßbach/Bayrak: Corona-Krise und vertragliche Risiko-Verteliung NJ 2020, 185, beck-online S. 9 m.N.). Dabei kam – wenn auch nur am Rande – in Betracht, dass der Mieter trotz Ladenschließung über einen Onlinehandel verfügt, über den er auch während des Lockdowns Umsätze erzielte.

Die Entscheidung des LG liegt auf der Linie des Gesetzgebers. Soweit Mieter daher aktuell die Miete mindern (gleichgültig ob Wohnen oder Gewerbe/Pacht) verbleibt es bei dem Grundsatz pacta sunt servanda. Für Minderung besteht keine Rechtsgrundlage, da behördliche Anordnungen wie Betriebsschließungen nicht unmittelbar mit Beschaffenheit oder Zustand des Mietobjektes in Zusammenhang stehen und daher nach den vom BGH im Raucherurteil aufgestellten Grundsätzen als nur mittelbare Beeinträchtigung dem Verwendungsrisiko des Mieters/Pächters unterfallen. Unmöglichkeit i.S.v. §§ 275, 326 BGB dürfte nicht in Betracht kommen, da die behördliche Verfügung nur einen gewissen Zeitraum gilt und keine generelle Unerfüllbarkeit im Sinne eines (dauernden) Leistungshindernis` begründet.
Aus den gleichen Gründen scheidet ein Wegfall der Geschäftsgrundlage aus, da nach herrschender Meinung die temporäre Anordnung einer Behörde keine schwerwiegende Veränderung darstellt und das wirtschaftliche Risiko beim Mieter/Pächter verbleibt. Es kommt hinzu, dass der Gesetzgeber mit der Beschränkung des Mieterschutzes auf einen dreimonatigen Kündigungsausschluss vom Wegfall der Geschäftsgrundlage selbst nicht ausgegangen ist.

RA u. FA f. Miet- u. Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Ffm.

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