1. Vollstreckungsschutz (§§ 712, 719 ZPO) kann auch in der Berufung erfolgen.
2. Der Schutzzweck des § 550 BGB ist wegen des zusätlichen Erwerberschutzes mit dem auf
Beweisbarkeit und Übereilungsschutz beschränkten § 311b ebs, 1 BGB nicht deckungsgleich.
3. Treuewidrigkeit bei Schriftformmangelkündigung erfordert neben Existenzbeeinträchtigung eine besondere Vertrauensgrundlage
OLG Frankfurt, Beschluss vorn 03.04.2018 - 2 U 7/113, IMRRS 2018, 2791 BGB ä 126 Abs. 2; ZPO §§ 242, 417, 550, 712, 719
Problem/Sachverhalt
Das Gewerberaummietverhältnis über ein Wettbüro war nach Ende der Festlaufzeit durch mündliche Vereinbarung mit der Geschäftsleitung der früheren Mieterin auf die Mieterin übergegangen. Folge dieses Übergangs war, dass die Zahlungsklage des Vermieters gegen die frühere Mieterin rechtskräftig abgewiesen wurde, Aus den Entscheidungsgründen folgt, dass ein Mietvertrag zwischen Vermieter und Mieterin, die am Rechtsstreit nicht beteiligt war, neu geschlossen wurde, Auf Kündigung des Vermieters wegen Schriftformmangels berief sich die Mieterin auf die „äußere Form" der Urteilsurkunde im Vorprozess und auf Existenzbedrohung. Das Landgericht gab der Räumungsklage statt, die Beklagte stellte erstmalig im Berufungsrechtszug Antrag auf Räumungsschutz,
Entscheidung
Der Schutzantrag (§§ 712, 719 ZPO) kann auch erst in der Berufungsinstanz gestellt werden (BGH, Beschluss vom 12.07.2017, XII ZR 46/17, IMRRS 2017, 1101).
a) Die Beweiswirkung der Urteilsurkunde nach § 417 ZPO entfällt auch bei Rechtskraft, wenn die wesentlichen Erwägungen nur in den Entscheidungsgründen und nicht im Urteilstenor enthalten sind, Ein Urteil ist zur Verschriftlichung der Bedingungen eines Mietvertrags zwischen mehreren Parteien nur geeignet, wenn die (tenorierte) Vertragsänderung durch alle Vertragsparteien unterzeichnet wurde (§ 126 Abs. 2 BGB; BGH, Urteil vom 30.04.2014 — XII ZR 146/12, IMRRS 2014, 0873), einschließlich des (künftigen) Letzteres ist mangels Beteiligung des Erwerbers am Zustandekommen des Urteils regelmäßig nicht der Fall.
b) Vertragslaufzeit und Parteiwechsel unterfallen dem Schriftformerfordernis (seit BGH, NJW 1975, 1653 f. st Rspr.), dies gilt nach dem OLG auch für die Falschbezeichnung der Partei im Mietverhältnis. Denn 550 BGB geht wegen des Erwerberschutzes (Drei Personen Verhältnis), wonach die Bedingungen des Mietverhältnisses aus dem schriftlichen Vertrag ersichtlich sein müssen, wenn dieser mehr als ein Jahr fest läuft (BGH, NZM 2018, 38), weiter als die Form des § 311 b Abs. 1 BGB. Letztere ist auf Übereilungsschutz und Beweisbarkeit im Zweipersonenverhältnis beschrängt (Falschbezeichnung unschädlich bei Grundstückskauf, BGHZ 87, 150, 153).
c) Treuewidrig ist die Berufung auf den Schriftformmangel, wenn neben der Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz, die bei einer Gewerbevermietung regelmäßig vorliegt, eine besondere Vertrauensgrundlage geschaffen wurde, Hierbei können und getätigte Vermögensopfer, die auf Parteiabreden beruhen, im Ausnahmefall eine besondere Vertrauensgrundlage schaffen,
Praxishinweis
Der Beschluss des OLG zeigt alle rechtlich relevanten Register für eine Kündigung wegen Schriftformmangels auf. Die vom BGH am 27.09.2017 (IMR 2017, 492) eröffnete Möglichkeit der Berufung auf § 242 BGB hat das OLG in Anlehnung an die Hoferbfolgeentscheidung in BGHZ 23, 249 ff. auf Ausnahmefälle beschränkt. Danach dürfte die „Falschbezeichnung" der Mietvertragsparteien die Schriftform (§ 550 BGB) nicht (mehr) wahren (a. A. für den Grundstückskaufvertrag im Zwei-Personen-Verhältnis noch der IX. Senat der aber wohl wegen der Registersicherheit den Unterschied zum Drei-Personen-Verhältnis bei § 550 BGB offenließ (IMR 2015, 188)).
RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Michael E. Freudenreich, Frankfurt a. M.