1. Die Klägerseite hat ein Bestimmungsrecht für die Streitwerthöhe
2. Auf vorhandenen, entsprechenden Sachvortrag ist der Kläger nicht verpflichtet, dem Beklagtenvorbringen erneut entgegenzutreten.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.06.2015 - 2 W 26/15, Volltext: IMRRS 2015, 0745 = BeckRS 2015, 11340 GG Art. 103 Abs. 1; GKG § 41 Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 3
Die Parteien stritten über die Berechtigung des Klägers, den Streitwert für die Räumungsklage nach dem mietvertraglich vereinbarten Nettomietzins zu bestimmen. Der Beklagte wandte ein, dass sich die Parteien nach Vertragsbeginn auf einen geringeren Nettomietzins mündlich verständigt hätten, und vertrat die Auffassung, dass diese mündlich vereinbarte (geringere) Miete auch für die Streitwertberechnung nach §41 Abs. 2 GKG zu Grunde zu legen sein.
Ohne Erfolg! Gemäß §41 Abs. 2 GKG ist bei Räumungsklagen grundsätzlich das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgeblich, wenn sich nicht nach Absatz 1 ein geringerer Streitwert ergibt. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift ist, falls das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses streitig ist, der Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Entgelts und, wenn das einjährige Entgelt geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung maßgebend. Dies ist dann der Fall, wenn ein Streit über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses vorliegt. Von einem solchen Streit war hier nicht auszugehen. Im vorliegenden Rechtsstreit war zwischen den Parteien unstreitig, dass nach der mit Schreiben vom 29.10.2013 erklärten Kündigung und der nachfolgenden Rücknahme des Widerspruchs gegenüber dieser Kündigung das Mietverhältnis beendet wurde. Zwar brachte der Beklagte gegen die Kündigungen formelle und auch inhaltliche Einwände vor. indessen belegt sein Verhalten und der Kern seiner Verteidigung, die rechtzeitige Rückgabe der Mietsache dokumentieren zu wollen, die eigene Vorstellung, nach der das Mietverhältnis auch von ihm bereits im November 2013 als beendet angesehen wurde. Mit der Begründung, dass die klagende Partei den Umfang des Interesses bestimmt, war daher die klägerseits benannte (höhere) Vertragsmiete der Streitwertberechnung zu Grund zu legen.
Der Senat räumt in dieser Beschwerdeentscheidung dem Kläger bezüglich der vereinbarten Nettomiete Vorrang ein: Die klagende Partei bestimmt den Umfang des Interesses! Auf eventuell spätere mündliche Mietänderungsvereinbarungen kommt es danach für die Streitwerfestsetzung im Sinne von §41 Abs. 2 GKG nicht an.Am Rande, aber umso relevanter für die Prozesspraxis ist die weitere Feststellung des Senats: Der Kläger ist bei seinerseits schlüssigem Parteivortrag nicht veranlasst, den Vortrag der Gegenseite "erneut" zu bestreiten. Damit folgt das OLG der herrschenden Meinung zum sog. "konkludenten Bestreiten", wonach bereits bei vorangegangenem widesprechenden Vortrag (z. B. die Vertragsmiete wird geltend gemacht) ein Bestreiten des nachfolgenden Einwands mündlicher Abreden des Prozessgegners liegen kann. Dieses sog. "vorweggenommene Bestreiten" (BVerfG, NJW 1992, 679 f) schränkt die Anwendung von §138 Abs. 3 ZPO ein. Zwar hat das Gericht nach §138 Abs. 3 ZPO alle unbestrittenen Behauptungen als zugestanden anzusehen und seiner Entscheidung zu Grunde zu legen; ausgehend vom Grundsatz der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 gg entfällt aber die Geständnisfiktion des §138 ABs. 3 ZPO bereits dann, wenn auf die behauptete Vertragsmiete in der Klageschrift der Beklagte anders lautende mündliche Abreden behauptet und der Kläger dem nicht noch einmal gesondert entgegentritt (herrschende Meinung vgl. Musielak-Stadler, ZPO-Kommentar, 10. Aufl. 2013, §138 Rz. 14 m. N.). Dies stellt für die anwaltliche Praxis eine Arbeitserleichterung dar, weil sie bei eigenem, umfassenden Sachvortrag nochmaliges Bestreiten erspart.
RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Michael E. Freudenreich, Frankfurt a. M.